Erinnerungen aus der Geschichte des Athletenvereins Georg-Weierbach
(von Albert Brust, 1987)


Der Athletenverein Georg-Weierbach wurde im Jahre 1912 von unseren Vätern gegründet.

Die Männer der ersten Stunde versuchten sich im Tauziehen beim Athletenclub "Deutsche Eiche", Frauenberg. Es wollte sich jedoch trotz größter Bemühungen zunächst kein Erfolg einstellen.

Währen des ersten Weltkrieges 1914/18 ruhten alle sportlichen Aktivitäten. Nach Kriegsende kam dann die jüngere Generation zum Zuge. Wir übernahmen die erforderlichen Sportgeräte vom inzwischen aufgelösten Verein Frauenberg.

Ich kann mich noch sehr gut an diese Zeit erinnern. Unser Dorf war noch sehr klein und umfaßte etwas mehr als 30 Häuser. Etwa 50 Schüler wurden von dem damaligen Lehrer Schwarz, dessen Nachkommen noch heute in Georg-Weierbach wohnen, unterrichtet.

Die Voraussetzungen für unseren Sportverein waren denkbar schlecht. Die meisten Bewohner unseres Dorfes, Bauern, hatten kein Verständnis für Sport, ensprechend klein war auch die Mitgliederzahl. Damals gründeten wir auch unsere Tauziehmannschaft, der ich angehörte.
 
Um 1920  gingen wir zum ersten Mal in Oberstein an den Start. Die Kämpfe fanden auf einem Platz oberhalb des Lokals "Heines Garten" statt. Unser erster Gegner war Gerach. Es entwickelte sich ein spannender Kampf, der erst nach drei Gängen entschieden war. Da uns die Geracher technisch überlegen waren, verloren wir.

Doch wir ließen uns von diesem Ergebnis nicht entmutigen. Wir stellten fest, daß wir den Gerachern kräftemäßig überlegen waren. Uns fehlte nur die erforderliche Technik, die wir uns nur durch hartes Training aneignen konnten.

Dann mußten wir in Idar antreten. Es war am Sportplatz "Stracken Mühle", etwa wo sich heute die Firma "Barth u. Frey" befindet.

Unser erster Gegner war Baumholder. Die Zuschauer witzelten über uns und wir bekamen damals Worte wie "klääne Bouwe" und dergleichen mehr zu hören. Doch den Zuschauern sollte ihre Spöttelei schon noch vergehen. Beim Kommando "fertig, Los" gingen wir im Galopp über die Ziellinie. Auch den zweiten Gang gewannen wir in demselben Tempo. Die Zuschauer staunten nicht schlecht. Doch sie rieben sich schon bald wieder die Hände, denn wir mußten gegen die Göttschieder, die damals in unserer Disziplin als unschlagbar galten, antreten. Doch auch diese Mannschaft kam unter die Räder. Dies war für uns der erste Höhepunkt. Plötzlich waren wir jemand. Auch gegen Kirchenbollenbach gewannen wir und waren Gaumeister im Gau "Nahe-Idarbachtal".

Auch in den folgenden Jahren konnten wir die Gaumeisterschaft erfolgreich verteidigen. Wir schafften es sogar, die "Kreismeisterschaft" zu erringen. Nur einmal in der Vereinsgeschichte gaben wir diese ab, in Mainz-Weisenau, an Laubenheim.

Ein Höhepunkt unserer "Tauzieherkarriere" war im Jahre 1924. Es ging in die deutsche Meisterschaft. Ausrichter des Wettbewerbs war der Athletenverein Mannheim.

Da unser Verein kein Geld hatte, mußten wir die Zugfahrt selbst bezahlen. Dies waren für uns imense Ausgaben und wir mußten sehr kurz treten, um das Geld aufzubringen.

Das Sportfest war für damalige Verhältnisse ein großes Spektakel. Es waren viele Mannschaften am Start. Darunter auch berühmte, wie Essen, Düsseldorf, die Polizeischule aus Berlin und viele mehr, besonders aus dem Badener und Württemberger Raum.

So ging man denn ans Werk und rackerte vor sich hin. Nach etlichen Kämpfen wurde uns der Meister des Jahres 1923, Grunbach (nahe Stuttgart) als Gegner zugeteilt. Diese Mannschaft wurde in einer Sportzeitung groß vor- und herausgestellt. Wir machten uns keine sonderlich großen Hoffnungen, doch der Kampf sollte die Skeptiker eines besseren belehren.

Es trafen hier zwei völlig gleichwertige Mannschaften aufeinander. Es entwickelte sich ein dramatischer Kampf. Der erste Gang war erst nach 8 Minuten zu Ende. Wir hatten das nötige Quentchen Glück und konnten ihn für uns entscheiden. Unser Vorteil war vielleicht, daß wir beim Tauziehen kein Wort verloren, der Gegner aber durch Schreien viel Kraft vergeudete. Auch den zweiten Gang gewannen wir, jedoch auch erst nach etwa 3 Minuten. Es wurde so verbissen gekämpft, daß man für nichts anderes mehr einen Sinn hatte, als für das kleine Stückchen Tau vor sich, an dem man herumzog, bis es einem fast schwarz vor Augen wurde. Als der Kampf vorbei war, sah das Gelände aus wie umgepflügt.

Zu diesem Zeitpunkt waren noch 2 Mannschaften im Wettbewerb. Laut Ausschreibung des Wettbewerbes kamen die letzten Mannschaften am späten Nachmittag zum Einsatz.
 
Der zeitliche Ablauf hatte sich aber so verchoben, daß wir keine Erholungspause hatten und unausgeruht in den Kampf gegen die Mannschaft aus Hessigheim gehen mußten, die durch Siege über schwache Gegner in die Endrunde gekommen waren. Da wir vom Kampf gegen Grunbach noch völlig außer Puste waren, konnten wir den Hessigheimern keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen. Aufgrund dieser Niederlage konnten wir auch den Meistertitel nicht erringen.

Wir hatten schon nach vier Wochen auf den Europameisterschaften in Neunkirchen (Saar) die Gelgenheit, von Hessigheim Revanche zu fordern. Hier trafen wir auf unseren alten Rivalen vom Mannheimer Sportfest. Auch auf den Europameisterschaften kämpften wir uns bis zum Finale durch und standen schließlich dem Rivalen gegenüber. Uns gelang es, die Hessigheimer zu deklassieren, sodaß sie richtig enttäuscht waren, überhaupt angereist zu sein.

Wir waren Europameister geworden. Die Urkunde, die wir anläßlich des Gewinns der Europameisterschaft bekamen, befindet sich heute im Gemeindehaus in Georg-Weierbach an einem Ehrenplatz.

Im Jahre 1926 baute ich mein Wohnhaus an der Dickesbacher Straße. Von da an war das Thema Tauziehen für mich passé.

 

Idar-Oberstein-Weierbach, den 20.05.1987 

Albert Brust

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Diese Auszüge aus Erinnerungen des letzten überlebenden Mitglieds der
Athletenvereins Georg-Weierbach wurden von Günter Hahn aus Georg-Weierbach zur Verfügung gestellt.